Im aktuellen „VONSociety“-Magazin hat Birgit ihre Gedanken zum biologischen Weinbau niedergeschrieben, die es jetzt auch hier zum Nachlesen gibt – gute Unterhaltung!:

In meiner allerersten Biologiestunde wurde mir die Definition von Biologie vermittelt. Es ginge in dem Unterrichtsfach um: „Die Lehre des Lebens“. Fasziniert von dieser Definition war fortan dieses Fach mein absolutes Lieblingsfach. Der Schritt zur biologisch wirtschaftenden Weinbäuerin war demnach ein kleiner, wenn auch sehr bewusster.

Die Natur gibt mir in meinem Schaffen sowohl Ressource als auch Begrenzung mit. Aber ich darf darauf vertrauen, dass immer ausreichend vorhanden sein wird, um einen guten Weg zu beschreiten. Damit meine ich, dass in der Natur immer ein Gleichgewicht angestrebt wird und ich als Winzerin darf damit arbeiten.

Das Jahr 2024 war mit Herausforderungen aller Art garniert. Spätfrost, Hagel, viel Regen zu Beginn und während der Vegetationszeit, extreme Trockenheit im August und ein 200jähriges Starkregenereignis im September. Wie gut, dass man nicht im Vorhinein weiß, was auf einen zukommt. Das heurige Jahr hat mich einiges gelehrt und so auch, dass ich nur im Moment reagieren kann auf das, was gerade ansteht. Ich kann in die Zukunft planen, muss aber Änderungen gelassen entgegentreten. Jede Schwierigkeit lässt mich das große Ganz mehr verstehen. Biologie eben, die Lehre des Lebens. Ich kann die Herausforderungen, die gestellt werden, nicht ändern, jedoch kann ich entscheiden, wie ich reagiere und mit ihnen umgehe und was ich in meinem Möglichkeiten-Spektrum gestalte. Das hat mich der Jahrgang 2024 gelehrt.

Der Jahrgang eines Weines widerspiegelt immer die Gegebenheiten des Jahres. Ähnlich einer Zeitkapsel werden hier alle Einflüsse gespeichert. Mit der biologischen Produktion in Weingarten und Keller werden diese Prägungen im Wein auch nicht verfälscht, beziehungsweise werden diese Charakteristika nicht geschönt. (Anmerkung: Der Begriff „Schönung“ in der Kellerwirtschaft bezeichnet immer eine Wegnahme) Die Weine aus dem Jahrgang 2024 zeigen sich in einem breiten Spannungsbogen von Frucht über vibrierende Lebendigkeit und auch Tiefgang in der Ausprägung des Mundgefühls. Der kleinere Ertrag und die selektive frühe Weinlese konnten spannende Ergebnisse bringen, auch mit moderatem Alkoholgehalt. Unter heißen und sonnigen Konditionen ist nichts leichter für die Rebe, als Zucker zu produzieren, aus dem dann wiederum Alkohol vergoren wird. Ein moderater Alkoholgehalt bei ausgewogener Säure und Gerbstoffstruktur ist unser angestrebtes Ziel.

Bei den Weiß- und Roséweinen ist heuer zusätzlich zur typischen Frucht in der Nase auch noch eine gewisse Feuerstein-Aromatik feststellbar. Dieser Feuersteinton scheint mir heuer eine typische Ausprägung für das Jahr 2024 zu sein und die damit einhergehende Komplexität bei gleichzeitig moderatem Alkoholgehalt bereitet wahres Trinkvergnügen.

Eine meiner Lieblingssorten ist Harslevelù (Lindenblättriger), welche eine ursprünglich ungarische Rebsorte ist, die während der Monarchie auch in unseren Breiten angepflanzt war. Gemeinsam mit meiner Winzerkollegin Heidi Schröck habe ich bei der heurigen Ernte ein Projekt gestartet, um diese alte Sorte besser zu verstehen. Wir wollten die Frage nach Herkunft, Jahrgang, Sorte und Handschrift der Winzerin klären. Also haben wir je einen Teil unserer Trauben getauscht: Im Weinkeller in Rust wurde eine Box meiner Trauben aus Göttlesbrunn verarbeitet und ich habe in meinem Keller eine Box von Heidi Schröcks Lindenblättrigen gekeltert. Jede von uns hat auch noch die eigenen Trauben verarbeitet und bald kann das Ergebnis dieses Austauschs verkostet werden. In zwei Monaten werden die vier Weine gemeinsam erhältlich sein und das Ergebnis dieser Fragestellung kann limitiert erworben werden. Gleiche Sorte, gleiches Jahr, unterschiedliche Winzerin und unterschiedliches Terroir. Release-Datum wird folgen.

Vielleicht bekommen wir vom Jahrgang 2024, der uns viele Fragen stellen ließ, auch ein paar Antworten. Denn auch das ist biologisches Arbeiten: mit der Natur im Austausch zu stehen, viele Fragen zu haben und aufmerksam zu beobachten, welche Antworten und Rückmeldungen man bekommt, um seine vielfältigen Gärten bestmöglich zu betreuen.

Quelle: „VONSociety“-Magazin, 2024