Brauner Veltiner!?

Blauer Portugieser, Gelber Muskateller, Rotgipfler, Grauburgunder und Grüner Veltliner – Weinsortennamen klingen bunt wie die Eier im Osternest. Letztgenannter ist mengenmäßig die häufigste Sorte in Österreich. Vom Roten Veltliner haben Sie vielleicht auch schon gehört. Da gibt es ein paar richtig feine – besonders in Niederösterreich am Wagram. Aber wussten Sie auch, dass es einen Braunen Veltliner gibt? Von dieser Sorte wurde am 5. April 1971 ein Rebstock in Göttlesbrunn – er steht im Gastgarten eines ehemaligen Dorfwirtshauses – zum Naturdenkmal erklärt. Schon damals wurde sein Alter auf rund 200 Jahre geschätzt. Der Stamm des vermeintlich ältesten Weinstocks Mitteleuropas misst in Brusthöhe fast 65 Zentimeter Umfang. Nach einem strengen Winter Anfang der 1980er-Jahre hat er zum letzten Mal ausgetrieben. In der örtlichen Volksschule lernen die Kinder seine Geschichte seit Generationen. Auch Felix, Sohn der Winzerin Birgit Wiederstein, kam eines Tages aufgeregt vom Sachunterricht heim und sagte: „Mama, weißt du eigentlich, dass wir in Göttlesbrunn den ältesten Rebstock haben?“
Ihr war das natürlich klar, aber die Anregung spornte sie an. Sie machte sich auf die Suche nach Edelreis. Fündig wurde sie im Sortenquartier der Weinbauschule Klosterneuburg. Vor exakt acht Jahren dann, am 9. April 2015, setzte sie schließlich die ersten 113 Stöcke. Die Trauben sind kompakt und klein- und dichtbeerig, die Beerenschale nicht einheitlich gefärbt, aber bräunlichgrau.
Das gibt der Weißweinsorte auch den Namen. Zusätzlich findet man zahlreiche Synonyme: Fürymony Fehér, Österreicher, Török Bajor, Wachteleitraube und Wachtler. Eine DNA-Analyse aus 1996 zeigte, dass es sich um eine natürliche Mutation der Leitsorte Roter Veltliner handelt. Dieser ist übrigens nicht mit dem Grünen Veltliner verwandt. Ich fasse zusammen: Der Braune Veltliner, den man heute kaum mehr findet, stammt vom Roten Veltliner ab. Beides sind Weißweinsorten. Und der bekannteste Veltliner, nämlich der Grüne, gehört biologisch gesehen überhaupt nicht zur Veltliner-Familie. Ganz schön verwirrend, diese Farbenspiele!

JULIANE.FISCHER@SN.AT